Und, wie geht es dir so, kurz vor der Abreise? Mit dem Abschied nehmen? Die Frage begegnet mir in den letzten Tagen immer häufiger. Meine Antwort: Ich erwische mich dabei, wie ich anfange, in „letzten Malen“ zu denken. Das letzte Mal, dass ich meine Familie sehe. Das letzte Mal Zeit mit Freunden verbringen. Das letzte Mal….Im bin im vollen Abschiedsmodus. Meine Gefühle verabschieden sich nicht, ganz im Gegenteil. Die Intensität nimmt mit jedem Tag zu. Achterbahnfahrt in Endlosschleife. Aber das ist auch gut so. Und in gewisser Weise beruhigend.
1) Etwas zu vermissen, heißt, etwas sehr genossen zu haben
Mein Freunde, Frankfurt, meine Familie, mein Sportverein, meine Gitarre, all die wunderbaren Momente. Ich werde sie vermissen, das ist sicher. Die letzten Jahre waren die beste Zeit meines Lebens. Ich habe Freundschaften geknüpft, für deren Tiefe es keine Worte gibt, so sehr ich es auch versuchen würde. Deshalb lasse ich es. Ich bin über mich hinausgewachsen. Frankfurt ist die erste Stadt, die ich meine Heimat nenne. Ohne ungutes Bauchgefühl. Aber weißt du was? All das habe ich erlebt – und keiner kann mir diese Erinnerungen nehmen. Diese Zeit. Ich nehme sie mit auf Weltreise. Die Traurigkeit, die sich bei mir einstellt, kann ich jetzt zulassen. Ich habe erkannt, was es eigentlich ist: Große Dankbarkeit und Wertschätzung für die Menschen, die in mein Leben getreten sind. Für all die schönen Momente. Danke.
2) Es ist das größte Geschenk, zu sehen, dass du anderen etwas bedeutest – nicht nur du nimmst Abschied
Ja, Abschied zu nehmen kann schmerzhaft sein. Nicht nur für dich. Auch für deine Freunde und deine Familie. Gleichzeitig liegt eine ganz besondere Magie in dem zunächst letzten Moment, den man gemeinsam mit einer geliebten Person verbringt. Wenn ich meinem Gegenüber in die Augen schaue und ein Gefühlsmeer entdecke. Sehe, was ich dem anderen bedeute. Erkenne, dass wir die Traurigkeit teilen. Es ist – wunderbar. Es weckt Vorfreude – auf den Moment, in dem man sich nach langer Zeit wieder in die Arme schließen wird.
3) Es ist die Zeit, die wir nicht mehr haben, die Momente besonders wertvoll macht
Was wäre das Leben wert, wenn unsere Zeit auf Erden unbegrenzt wäre? Wie würde ich die Tage verbringen? Ich habe mir diese Fragen schon öfter gestellt. Und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es schon richtig so ist. Das ich kein unendliches Leben haben möchte. Das Wissen, dass das Leben endlich ist, macht die Momente, die wir erleben, zu etwas Wertvollem. Weil wir uns mehr oder weniger bewusst sind, dass jeder Moment der letzte sein kann.
Durch meinen temporären Abschied hat mein Leben eine selbst geschaffene Sollbruchstelle erhalten. Die Zeit wird „knapp“, der Abreisetermin steht kurz bevor. Ich koste jede Minute aus, die mir mit Familie und Freunden bleibt. Sauge Eindrücke auf. Und ja, eigentlich sollte es immer so sein. Ich weiß. Würde mir genau das jedoch bewusst werden, wenn ich nicht ab und zu spüren würde, dass meine Zeit begrenzt ist? Der Mensch ist ein Meister im Verdrängen. Ich auch. Abschiede helfen, die innere Barriere für eine Weile zu brechen.
4) Das innere Band zu deinen Freunden ist nicht an Zeit und Raum geknüpft – wenn es echte Freunde sind
Eine lange Reise birgt das Risiko, Freunde zu verlieren. Die Frage ist: Ist es wirklich ein Risiko? Freundschaften verändern sich stetig, unabhängig davon, wo du gerade bist. Mal sind sie intensiver, mal weniger intensiv. Menschen betreten dein Leben – und verlassen es wieder. Jeder ist somit stetig auf Reisen – durch dein Leben, durch sein Leben. Möchtest du, dass jemand bleibt, nur weil du ihn fest hälst? Ich nicht.
Auf der anderen Seite weiß ich, dass es Menschen in meinem Leben gibt, zu denen das innere Band aus einem Material beschaffen ist, das fest und flexibel zugleich ist. Es wird nicht reißen, nur weil ich mich an einem anderen Ort befinde. Kennst du diese ganz besonderen Menschen in deinem Leben, bei denen es keine Rolle spielt, ob du sie zwei Tage oder zwei Wochen nicht gesehen hast. Du aber weißt, dass ihr euch immer begegnen werdet, als wäre keine Sekunde vergangen? Ja, das sind die Freunde, die ich behalten möchte. Und behalten werde.
5) Nur wenn du loslässt, wird du Platz schaffen können für etwas Neues
Loslassen fällt schwer. Zu Recht. Das Wort verrät bereits viel. Loslassen – daraus spricht der Verlust. Es ist aber mehr als das. Abschied heißt, eine Entscheidung zu treffen, etwas für einen Moment (manchmal auch für immer) gehen zu lassen. Sich gegen etwas entscheiden, heißt allerdings auch, sich für etwas Anderes zu entscheiden. Gleichzeitig auf Weltreise gehen zu wollen und weiter in Frankfurt zu arbeiten? Geht nicht. Also? Heißt es loslassen. Zumindestens temporär. Platz zu machen für das, was ich auf meiner Reise erleben werde.
6) Es ist ein Abschied auf Zeit – Das Wiedersehen wird folgen!
Bei all dem Abschieds-Gefühlschaos verliere ich ab und aus dem Blick, dass es sich um einen Abschied auf Zeit handelt. Das auf das Verabschieden ein Wiedersehen folgen wird. Sicherlich, wann das sein wird, steht im meinem Falle noch nicht fest. Gleichzeitig führe ich mir immer wieder vor Augen, dass ich die Freiheit habe, zurück zu kommen, wenn die Sehnsucht zu groß wird. Das ich frei bin. Es Möglichkeiten gibt, Kontakt zu halten. Skype sei Dank. Also bleibt mir nur zu sagen: Goodbye – ich freue mich auf unser Wiedersehen!
Wie ist es euch ergangen? Ich bin sehr gespannt auf eure Kommentare!
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