Offene Worte: Wie es ist, allein auf Weltreise zu sein

Vor ein paar Wochen habe ich euch erzählt, dass ich ziemlichen Respekt vor dem allein reisen habe.  Ich mich fragte, wie es wohl ist, allein auf Weltreise zu gehen. Werde ich einsam sein? Mich langweilen? Oder ganz im Gegenteil, die Freiheit genießen? Meine Erfahrung: Die Antwort liegt, wie so oft, genau dazwischen.

1) Allein reisen ist herausfordernd & macht unglaublich stark

Eins kann ich euch bereits verraten: Allein reisen ist kein Spaziergang. Ok, manchmal fühlt es sich so an. Und immer öfter, je länger du unterwegs bist. Am Anfang bedeutete es für mich, Momente zu überstehen, in denen ich mich sehr verloren fühlte. Momente, in denen ich genervt war, weil ich die Menschen in meiner Umgebung nicht verstand. Irgendwie nichts funktionieren wollte. Ich niemanden traf, mit dem ich wirklich auf einer Wellenlänge schwamm. Strangulierte mich mit meinen eigenen, viel zu hohen Erwartungen. Ich begann, immer häufiger inne zu halten und mich zu fragen, was ich gerade brauchte, um mich wohl zu fühlen. Und noch viel wichtiger, warum ich es brauchte.

So stellte ich fest, dass ich Gesellschaft suchte, um der Selbstkonfrontation zu entgehen. Blöd nur, daß Probleme dadurch nicht verschwinden, sondern sich immer mehr aufstapeln und wie ein Klotz am Bein das Vorankommen erschweren. Dabei waren es manchmal nur Kleinigkeiten, die mir schwer im Magen lagen. Das ich mich zum Beispiel damit überfordert fühlte, zum Busbahnhof zu gehen und auf Spanisch ein Ticket zu kaufen.

Wie ich jetzt mit solchen Situationen umgehe? Erstens, mein Unwohlsein wahrnehmen und herausfinden, woher es kommt. Nicht auszuweichen. Zweitens, positiv zu denken. Mir vor Augen zu halten, wie stolz ich stets war, wenn ich wieder etwas geschafft habe. Wie oft ist wirklich etwas schief gegangen? Und mit jeder erfolgreich überstandenen Situation wirst du wachsen. Ein Gefühl, dass alle Anstrengungen wett macht.

2) Manchmal fühlt man sich einsam

Jeden packt irgendwann kurzzeitig die Einsamkeit. Jeden. Ob allein unterwegs oder zu zweit, spielt dabei keine Rolle. Mal fehlen die Freunde, mal die Familie. Das ist normal und auch schön, oder nicht? Das es Menschen gibt, die dir so viel bedeuten, dass du sie gern um dich herum hättest? Reisende eint dieses Gefühl und schweißt sie zusammen. Du kannst dir sicher sein, dass dir jeder im Hostel sofort eine Umarmung schenkt, wenn du dich anvertraut. Du bist nicht allein. Manchmal einsam, aber nie allein.

3) Du lernst, immer mehr auf dein Bauchgefühl zu hören

Du hast nur einen Menschen, auf den Du Dich verlassen kannst: Dich selbst. Glaub mir, das mit dem Bauchgefühl funktioniert einwandfrei. Man muss es nur walten lassen. Wie ein inneres Orakel wird es dir den Weg weisen. Klingt mystisch, ist aber eigentlich Produkt deiner vielen, komplexen Erfahrungen, die du im Leben gesammelt hast. Nutze es!

4) Du wirst mit jedem Tag gelassener

Der Bus fährt eine Stunde später? Na, immerhin fährt er! Es gibt keinen Bankautomat? Was solls. Reisen heißt, ständig zu improvisieren. Das permanente Chaos zu akzeptieren. Weil kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwas schiefgeht. Wenn du allein unterwegs bist, verstärkt sich diese Empfindung. Schließlich bist du der einzige Ideengenerator. Na gut, es gibt auch andere Mitreisende, die man fragen könnte. Aber es macht so viel Spaß, selbst Lösungen zu finden!

5) Du lernst, noch mehr auf Leute zuzugehen und um Hilfe zu bitten

Dann gibt es Situationen, in denen du dir Hilfe wünschst. Am letzten Abend in Valparaiso wollte ich zum Busbahnhof laufen. Ich wusste, daß es nicht ratsam ist, mich im Dunkeln allein auf den Weg zu begeben. Also fragte ich Kim und Doug, ob sie mich begleiten würden. Es kostete mich etwas Überwindung. Mit Freude unterstützten sie mich. Es ist ein schönes Gefühl, Hilfe zu geben. Noch schöner ist es, Hilfe annehmen zu können und sich persönliche Schwächen einzugestehen. Allein reisen macht menschlich und nahbar.

6) Du bist nie allein, wenn Du nicht möchtest

Die Hostels sind voll von Reisenden, die Anschluss suchen. Die offen sind für neue Begegnungen. Selbstverständlich ist es nicht dasselbe wie eine jahrelang gewachsene Freundschaft. Andererseits scheint beim Reisen alles im Zeitraffer abzulaufen. Es kann sein, dass du innerhalb eines Tages die komplette Lebensgeschichte eines Reisenden erfährst. Du lernst, dich schnell zu öffnen. Genauso schnell wieder loszulassen. Jede Sekunde zu genießen, denn möglicherweise trennen sich die Wege am nächsten Tag wieder. Manche Begegnungen sind temporär, aus anderen entwickeln sich tiefe Freundschaften. Wie genial ist es, Freunde auf der ganzen Welt zu haben?

7) Allein auf Weltreise zu sein ermöglicht eine intensive Selbsterfahrung

Beim Reisen begegnest du all deinen Eigenheiten in intensivierter Form. Weil jeder Tag anders ist und dich vor neue Herausforderungen stellt. Veränderung quasi Alltag ist. Plötzlich alle Ängste gleichzeitig aus dir herauskriechen scheinen zu wollen. Und dir jetzt nicht anderes übrig bleibt, als ein jeder von ihnen ins Auge zu blicken. Reisen ist keine Flucht. Reisen bedeutet pure Selbstkonfrontation. Weiterentwicklung hoch hundert.

8) Allein reisen heißt, volle Verantwortung für sich zu übernehmen

Es läuft gut? Du bist dafür verantwortlich gewesen. Ein tolles Gefühl, oder nicht? Du hast dich vom Taxifahrer übers Ohr hauen lassen? Leider gibt es auch in diesen Momenten niemanden, dem du die Verantwortung zuschieben kannst. Deal with it! Volle Freiheit gibt es nur im Paket mit voller Verantwortung. Wie es sich anfühlt? Einfach unbeschreiblich gut.

9) Der Schlüssel: Akzeptieren, dass es gute und schlechte Momente gibt

Im Reisen spiegelt sich das Leben wider. Es gibt Zeiten, da möchtest du am liebsten die ganze Welt umarmen. Gefolgt von Tagen, wo du deine Idee, allein auf Weltreise zu gehen, verfluchen wirst. Tränen werden fließen. Tränen der Freude genauso wie Tränen der Traurigkeit. Reisen ist ein großes Abenteuer, dass dich ganz anders als dein Alltag fordert. Lass dich darauf ein.

12 Kommentare bei „Offene Worte: Wie es ist, allein auf Weltreise zu sein“

  1. Hallo Susanne,
    du schreibst mir aus der Seele. Inzwischen reise ich am liebsten alleine. So ganz mit mir selbst entdecke ich einfach am meisten und nehme das Reisen auch bewusster wahr. Und so manch einsamer Moment geht dann ganz schnell vorüber, indem ich offen auf andere Menschen zugehe. Einen schönen Blog hast du – da schaue ich ab jetzt öfters mal vorbei. ?

    1. Susanne.Blumenstein sagt: Antworten

      Ooh, vielen Dank, dein Kommentar hat mich wahnsinnig gefreut! Du hast absolut Recht, es macht wesentlich offener und führt zu so vielen schönen Begegnungen!

  2. Hallo Susanne, das sind viel Gedanken, die ich gut nachvollziehen kann. Ich reise sehr viel allein, obwohl ich ewig verheiratet bin, aber mein Mann findet Städte- und Kulturreisen nicht sonderlich spannend. Für mich ist reisen generell eine große Herausforderung, ich leide seit einer Krebserkrankung im Mund unter massiven Schluckstörungen und kann nur eingeschränkt essen. Und es ist genau diese Herausforderung, die das Reisen noch einmal spannender macht. Im März fliege ich ganz alleine in den fernen Osten, das muss ich alles jetzt schon planen um sicher zu gehen, dass ich überall Essen finde. Ich wünsche dir viel Spaß, bei deiner Weltreise, Claudia

    1. Susanne.Blumenstein sagt: Antworten

      Wow, das ist unglaublich beeindruckend! Toll, dass du dennoch so viel reist, ich wünsche dir alles, alles Gute und viele atemberaubende Erlebnisse!

  3. Ich bewundere das! Ich glaube ich könnte nicht allein verreisen, zumindest im Moment nicht. Allerdings könnte ich vermutlich viel öfter reisen, wenn ich allein reisen würde. Hat beides seine Vor- und Nachteile. Ich wünsche dir alles Gute und viele schöne Momente auf deinen Reisen. Liebste Grüße aus dem Sauerland von https://dreamise.wordpress.com/

    1. Susanne.Blumenstein sagt: Antworten

      Vielen, vielen Dank für deine lieben Worte, ich schau gleich mal auf deinem Blog vorbei! Ja, es ist auch nicht immer einfach… Aber sehr lehrreich und intensiv! Liebe Grüße zurück!

  4. Hi Susanne,
    ein wirklich guter und selbstreflektierter Artikel. Vieles konnte ich direkt nachempfinden. Freue mich darauf mehr von dir zu lesen, auch wenn Hostels nicht so mein Ding sind. Abgesehen davon kann ich aber trotzdem einiges aus deinem Artikel mitnehmen. Danke dafür!

    1. Susanne.Blumenstein sagt: Antworten

      Ganz großen Dank für deine lieben Worte! In der Tat haben Hostels nicht nur Vorteile – ich werde bestimmt ab und an eine andere Unterkunft wählen. Aber auch da entscheide ich ganz nach Bauchgefühl… Was war dein größtes Learning?

  5. Toller Artikel! Jaja, das alleine reisen hat so seine ups und downs… Ich war nach dem Abi für ein Jahr allein in Südamerika unterwegs, und ich glaube keine Zeit hat mich so sehr geprägt wie diese… Mittlerweile bin ich mit meiner Tochter unterwegs, das ist auch schön ?.

    1. Susanne.Blumenstein sagt: Antworten

      Oh wow, das ist beeindruckend und mutig! Da hast du mit Sicherheit viel draus mitgenommen!

  6. Sehr interessanter Artikel! Auch wenn ich noch nie alleine rumgereist bin, kann ich vieles gut nachempfinden. Ich bin nach meinem Studium erst 3 Monate alleine nach London gegangen und später nochmal einen Monat alleine nach Barcelona. Das hat mich ganz schön Überwindung gekostet und die ersten Tage waren echt schwer. Es ist schön zu lesen, dass es auch anderen so geht. Im Nachhinein bin ich aber super froh über die Erfahrung, da es einen stärker und selbstbewusster macht.

    1. Susanne.Blumenstein sagt: Antworten

      Dankeschön! Ja, mich macht es auch jeden Tag stärker! Ich habe schon eine Zeit lang im Ausland gelebt, aber überraschenderweise hat das allein herumreisen für mich nochmal eine andere Intensität…

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