Jeden Tag schob sich der Vulkan auffordernd in mein Blickfeld. Majestätisch thront er über Pucón. Aber mehr als 100€ ausgeben, um an einer anstrengenden Wanderung teilzunehmen? Dann eher nicht. Ich hatte es aber schon munkeln gehört, dass es für das fleißig arbeitende Volk teilweise Ermäßigungen gibt. Den entscheidenden Schritt machte meine Kollegin Mareike, die eine befreundete Agentur anrief. Beziehungen helfen eben immer. Yes! Ein bisschen mehr als 50€ waren es am Ende. Viel, aber in Ordnung. Auf der Tour verstand ich dann auch, warum der Aufstieg so teuer ist.
1) Die Vorbereitung – Die Ausrüstung muss anprobiert werden
Am Vortag ging es zur Agentur, Ausrüstung anprobieren. Hm? Ich wusste nicht recht, was mich erwartete. Die erste Überraschung. Denn:
- Wir bekam Wanderjacke, Schuhe, Handschuhe, Mütze und Hose gestellt
- Es folgte ein Rucksack vollgepackt mit: Pickel (?), Porutscher (?) und Steigeisen (??)
Ich begann, mich zu wundern. Ich dachte, es ist nur eine Wanderung? Das Rätsel sollte sich schnell aufklären.
2) DER Tag der Wanderung – nichts für Langschläfer und Höhenängstliche
Um 5.30 Uhr klingelte mein Wecker. Der Aufstieg muss bis 13 Uhr erfolgen, die Wanderung dauert knapp fünf Stunden. In eine Richtung. Genau, du hast richtig gehört. Uff. Gut, dass ich mich vorher nicht groß informiert habe. Es sollte eine der anstrengenden Wanderungen meines Lebens werden. Start auf 1400 Höhenmetern. Das ersehnte Ziel, der Vulkan, liegt auf 2800 Höhenmetern. Eher Bergsteigen als Wandern.
3) Der Aufstieg – Puddingwaden, ich komme!
Dreißig Minuten Fahrt, dann waren wir am Startpunkt angelangt. Wir, das waren sechs Abenteuerlustige und zwei Bergführer. Du hast richtig gelesen, zwei. Es ist nicht erlaubt, den Vulkan allein zu besteigen. In den letzten Jahren sind mehrere Personen tödlich verunglückt. Ich verstand schnell, warum.
Den ersten Kilometer ging es steil bergauf, aber noch auf erdigem Untergrund. Dann kam der Schnee, der bald zu einem Schnee-Eis-Gemisch wurde. Es wurde noch steiler. Nach einer Stunde folgten fünf Minuten Pause, in denen uns die Guides erklärten, wie der Pickel zu benutzen ist. Der Pickel war quasi unser bewegliches Geländer. Das stumpfe Ende stößt man senkrecht in den Schnee, um sich Halt zu verschaffen. Eine Hangelpartie 🙂 Die Guides gingen voran, um Schrittkuhlen in den Schnee zu rammen. Einen Weg gibt es selbstverständlich nicht. Rechts der steile Schneehang , links geht’s gefühlt senkrecht bergab. Kein Geländer. Fein. Im Schnee steil bergauf zu gehen, fühlt sich an wie hohe Stufen aus Sand zu besteigen. Man sinkt ständig ein. Muss aufpassen, dass man den Pickel ordentlich in den Schnee rammt. Wenn man ausrutscht.. Ich glaube, ich brauche es nicht näher ausführen.
Irgendwann setzt der Automatismus ein. Ein Fuß vor den anderen. Und weiter. Du denkst, jetzt geht’s nicht mehr, aber das ist nur dein Kopf. Es hat fast etwas meditatives, wenn nur die Muskeln nicht so schreien würden. So kam ich gar nicht dazu, groß an den Abgrund zu denken. Und die Waghalsigkeit des ganzen Abenteuers. Zwei kurze Pausen. Gerade so lang, dass man nicht in den entspannten Ruhemodus gelangte. Die Spitze gelangte in Sichtweite. Mein Fokus war allein darauf ausgerichtet. Ich trieb meinen Körper zur Höchstleistung an.
4) Endlich auf dem Vulkan – Die Mühe lohnt sich
Nach viereinhalb anstrengenden Stunden waren wir oben. Wir überrundeten in der Zeit ein paar Gruppen. Unsere Guides erkannten, dass wir alle ziemlich fit waren. Schließlich tickt immer die Uhr. Je schneller wir liefen, umso mehr Zeit hatten wir am Krater.
Oben angekommen, beglückwünschte ich mich. Gleichzeitig drängte sich mir die Frage auf, wie wir wieder runterkommen. Tja. Die Aussicht wischte alle Bedenken beiseite. Lava! Minutenlang starrte ich in den brodelnden Krater. Ein unglaubliches Gefühl. Ein Rundumblick, der für all die Anstrengung mehr als entlohnte.
5) Der Abstieg – Ich bekam fast einen Herzkasper – es wird gerutscht
Ihr erinnert euch an den Porutscher? Diese kleinen Teile, mit denen man rodeln kann? Unsere Guides wiesen uns an, diese umzuschnallen. Ja, und jetzt? Ich kann doch nicht 1400 Meter mal eben runterrutschen?! Doch, kann man. Dann standen wir davor: Eine in den Schnee gehauene Endlos-Rodelbahn. Ein kleiner, offener Kanal, in den man sich reinsetzt. Der Pickel wird zur Bremse. Mir blieb fast das Herz stehen. Der Start war so steil, dass man nur das erste Stück sehen konnte. Angstkonfrontation pur.
Jetzt kann ich sagen: Alles halb so wild. Im Gegenteil, es hat wahnsinnig Spaß gemacht! Bilder gibt’s davon leider nicht, weil ich meine Kamera verständlicherweise wegpacken musste. Definitiv ein Tag, den ich so schnell nicht vergessen werde. Ich bin stolz auf mich.
Wow, Sanne! Ich bin beeindruckt und auch ein wenig neidisch ;). Deinen Bericht nehme ich jetzt zum Anlass wieder mehr zu trainieren, um auch bald wieder solche Touren gehen zu können ( nur vielleicht lieber erstmal ohne Schnee und Eis).