Die Wasserfälle von Caburgua – Eine Rad(tor)tour

Auffordernd lehnt es am Schuppen. Mein Lieblingsfortbewegungsmittel. Bereit für die große Tour zu den Wasserfällen? Ich schon. Der hintere Reifen nicht ganz. Er braucht ein wenig Luft (dachte ich jedenfalls). Das Wetter war perfekt. Etwas bedeckt, aber warm. Und ja, ich mache mich allein auf den Weg. Ohne Karte. Ich weiß ungefähr, wo ich hin muss (hier habe ich eine super Wegbeschreibung gefunden). Sind ja nur zwanzig Kilometer bis zu den Wasserfällen. Mein Optimismus scheint aktuell keine Grenzen zu kennen.

1) Wie jetzt, allein zu den Wasserfällen? Ist das nicht langweilig?

Ganz im Gegenteil. In den letzten Tagen ist viel bei mir passiert. Ein Ruck ging durch mein Innerstes. Plötzlich ist das Alleinsein keine Bürde mehr, sondern eine großartige Chance. Ich fange an, einfach zu genießen. Die Erfüllung meiner Bedürfnisse nicht mehr von anderen abhängig zu machen. Meinen Impulsen zu folgen. Habt ihr schon mal versucht, einen kompletten Tag lang weitgehend wertfrei euren Impulsen nachzugehen? Gar nicht so einfach! Vorher hatte ich bereits die Freiheit, ganz nach meinen Bedürfnissen zu leben, konnte ich mich aber nicht von den Erwartungen lösen. Ich fühlte sie nicht, die Freiheit. Was denken die anderen, wenn ich mich abends nicht mit dazusetze? Warum erwarte ich von mir, jeden Tag etwas unternehmen zu müssen? Jetzt gilt: Ich muss gar nichts. Ich bin nicht die anderen. Die anderen sind nicht ich.

Kurz gesagt: Wenn mir danach ist, meine Radtour allein zu machen, tue ich das. Nicht, weil ich keine Freunde habe. Weil es eine bewusste Entscheidung ist.

2) Der schweißtreibende Weg zu den Wasserfällen

Es dauert keine Viertelstunde und ich bin zurück auf dem unwegsamen Schotterweg. Das letzte Mal bin ich auf halbem Weg umgekehrt, irgendwie war mir nicht danach, mich die Berge hochzuarbeiten. Jetzt aber! Nun liegt er vor mir. Spitze Steine, Schotter, immer aufwärts. Neben mir rauscht der Fluss. Langsam zieht an mir die Landschaft vorbei, die mich stark an die Alpen erinnert. Kühe grasen friedlich am Wegesrand. Aller paar Kilometer taucht ein kleines Haus auf. Ich fühle mich sicher. Auch wenn ich weit und breit die einzige Menschenseele zu sein scheine. Mache Pausen. Lasse mich treiben. Wie aus dem Nichts taucht zwei Stunden später das entscheidende Hinweisschild auf. Die Wasserfälle!

3) Los Ojos del Caburgua – Ein Traum mit azurblauem Wasser

Anfang Dezember ist die perfekte Zeit, um die Wasserfälle zu erkunden. Das Wetter ist schön, der Ort aber noch nicht überfüllt. Für zirka zwei Euro Eintritt kannst du mehrere Rundwege bewandern. Ich nahm mir Zeit, dieses Naturwunder in Ruhe auf mich wirken zu lassen. Drei kraftvolle Wasserströme, die sich in einen azurblauen See ergießen. Die Klodame erbarmte sich in der Zwischenzeit meines Rades. Wer braucht schon ein Schloss, haha 😉

Tiefenentspannt machte ich mich auf den Rückweg. Kochte vor meinem inneren Auge schon mein leckeres Abendessen. Doch es kam alles anders…

4) Die Rückfahrt – Pleiten, Pech und Pannen

Die ersten Kilometer? Schon fast Bergfahr-Routine. Strampelautomatismus. Eine kurze Fotopause. Weiter geht es. Pustekuchen. Mein Hinterreifen: Schlapp wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Ein Platten, na bravo! Perfekt, das ich mich mitten in der Pampa ohne Flickzeug befinde. Besonders interessant: Ich hatte lediglich ein kurzes Wimpernzucken für den Vorfall übrig. Mehr nicht. Meine innere Ruhe blieb. Ich zuckelte zum nächsten kleinen Bauernhäuschen. Hoffte auf eine Luftpumpe, die mich wenigstens ein Stück weiter fahren ließ. Schließlich waren es noch um die acht Kilometer. Hatten sie leider nicht, dafür der Nachbar, den sie sofort anrief. Sie signalisierte mir, dass ich mich setzen solle. Es könnte einen Moment dauern. So saß ich nun auf der Terrasse. Wartete. Die Hühner scharten sich um mich. Ich musste lachen. Welch groteske Situation! Nach einer kleinen Ewigkeit fuhr ein zerbeultes Auto in den Hof. Mit Luftpumpe. Juhu!

5) Platter Reifen – Ein kreativer Plan musste her

Jetzt hieß es, schnell zu sein. Mein Plan: Die nächste größere Straße erreichen und dann darauf hoffen, dass mich einer der zahlreichen Pick-ups mitnimmt. Gesagt, getan. Ich nahm die Beine in die Hand und demmelte, was das Zeug hielt. Kommt schon, Reifen, nicht schlappmachen!

Ich schaffte es bis zur Straße. Dann ging auch nichts mehr. Ich fuhr auf der Felge. Da war er, mein ersehnter Pick-up! Ich fuchtelte mit meinen Händen wild in der Luft herum, um mich bemerkbar zu machen. Tatsächlich hielt der Wagen an und setzte zurück. Misstrauisch lehnte sich die Frau aus dem Fenster. Ihr Gesicht klarte sofort auf, als sie meinen Reifen sah. Schneller als ich gucken konnte lag mein Rad auf der Ladefläche. Ich quetschte mich neben ihr auf den Vordersitz.

Sie ließen mich nahe der Stadtgrenze raus. Immer noch zu weit, um zu laufen. Moment, da war doch ein Baumarkt in der Nähe! Zeit für eine zweite Pumpsession! Schnell fand ich einen Mitarbeiter, der mir aus der Misere half. Ich flog meinem Ziel entgegen, immer mit einem bangen Blick auf den Reifen.

Beim Anblick des Gartentores schossen Wellen der Erleichterung durch meinen Körper. Endlich! Ich pendelte zwischen Stolz und Erschöpfung. Wieder ein ereignisreicher Tag, an dem ich weit über mich hinausgewachsen bin.

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