Canyoning – Lust, dich in eine Schlucht zu stürzen?

Canyoning? Sagte mir gar nichts. Klang irgendwie gefährlich. Mein Kumpel Tomas bearbeitete mich schon seit Tagen. Er ist Canyoning Guide und wollte mir seine Leidenschaft nahebringen. Hm. Die Begeisterung wollte bei mir nicht einsetzen. Schon komisch, andere zahlen ein Heidengeld für so ein Abenteuer. Ich hingegen muss zu meinem Glück getragen werden.

Vor drei Tagen siegte die Neugier. Tomas schrieb, dass sie in einer Stunde zu einer Tour aufbrechen würden. Komm mit! poppte auf meinem Handy auf. Alright!

1) Die Fahrt zum Canyon – Ein Naturerlebnis

Mit dem Geländewagen ging es mitten durch wilde Natur. Nur 15 Minuten von Pucon entfernt. Die Wege wurden immer schmaler und unebener. Mich packte eine Mischung aus Unruhe und Vorfreude. Dies war kein gewöhnlicher Touri-trip, wie ich dann erfuhr. Mit von der Partie: Zwei weitere Guides. Sie wollten den Tag nutzen, um die Tour abzulaufen und an der Technik zu arbeiten. Und ich? War das perfekte Trainingsobjekt. Mit Höhenangst, optimal also.

Mein Herz setzte kurz aus, als mir Tomas eröffnete, dass der Einstieg aus 25 Metern Höhe erfolgt. Ist ja logisch, oder? Man muss sich zunächst in die Schlucht abseilen. Meine Frage nach einem Alternativweg verneinte er. Na bravo. Auf was hatte ich mich da eingelassen? Höhenangsttherapie für Fortgeschrittene. Die zehn Meter im Kletterwald wirkten dagegen fast lächerlich.

2) Die Canyoning Tour – Drei Stunden Adrenalin pur

Zum Start: Eine ausführliche Sicherheitsunterweisung. Erläuterungen, wie man sich in der Schlucht bewegen soll. Für mich noch unvorstellbar. Kennt ihr die Breitachklamm? Würdet ihr darin rumspazieren? Ich nicht. Aber gut. Ich vertraute den Guides.

Bevor es losging, war Umziehen angesagt. Ein wärmender Taucheranzug, spezielle Schuhe, ein Helm, Klettergeschirr. Noch zwanzig Minuten Fußweg, dann standen wir an der Spitze. Oh Gott. Rechts von mir rauschte der große Wasserfall. Wir standen an einem Felsvorsprung. Meine Aufgabe: Gesichert rückwärts den Felsvorsprung herunterklettern und dann in den Wasserfall abseilen. Ernsthaft? Fürs Kneifen war es zu spät. Da hing ich nun, das Wasser prasselte auf mich herab. Stück für Stück hangelte ich mich nach unten. Mich ergriff eine schicksalsergebene Ruhe. Ich mache das jetzt!

Was soll ich sagen? Dieses Gefühl, mitten im Wildwasser im Schlund einer Klamm zu stehen, ist unbeschreiblich. Rechts und links von dir ragen die Felsen zwanzig Meter nach oben und lassen nur einen kleinen Spalt für das Tageslicht. Vor dir: Der Wasserfall. Und: Das war erst der Anfang.

3) Die Highlights: Ziplining und der Sprung in den Wasserfall

Langsam bewegten wir uns weiter entlang des reißenden Wasserstroms. Mal im Wasser, mal daneben über die Felsen. Oft auf allen Vieren, damit uns die Kraft des Wassers nicht wegreißt. Nach einer halben Stunde stehen wir am nächsten großen Wasserfall. Ein Seil ist vom oberen zum unteren Ende gespannt. Mitten durch. Mir bleibt aber auch nichts erspart. Ein Stück herabklettern, dann flach auf den Rücken legen, sich fallen lassen und quasi kontrolliert herabrutschen. Mit dem Klettergeschirr hängt man sich ein, der Guide reguliert durch ein zusätzliches Seil die Geschwindigkeit. Ich habe keine Ahnung, was in mich gefahren war, aber ich fühlte mich wohl dabei. Es fing an, Spaß zu machen.

Eine zweite Zipline folgte. Dazwischen: Schwimmen, rutschen, laufen, klettern. Das eine Stück ähnelte einem Klettersteig. Eingehakt in ein Seil kletterten wir die Schlucht entlang. Meine Angst hatte sich in die hintersten Ecke verkrochen. Ich glaube, sie kapitulierte bei der Masse an Eindrücken. Ein letztes Mal wallte sie auf, als wir vor dem letzten Wasserfall standen. Diesmal gab es keine Zipline. Jetzt wurde gesprungen. Fünf Meter. Ab ins tobende Nass. In die Klamm. Mein Herz schlug bis zum Hals. Letzte Instruktionen. 3, 2, 1…Los! Die Wassermassen erfassten mich, wirbelten mich herum. Ich tauchte auf und wieder unter. Gut, dass einer der Guides im Wasser wartete, um mir aus dem Strom zu helfen. Alles war gut gelaufen.

Wir liefen die letzten Meter zurück zum Auto. Ich war pitschnass und überglücklich. Bisher dachte ich, dass es langsam nicht mehr verrückter geht. Ich hatte mich geirrt. Und nebenbei meine Höhenangst ein Stück weit begraben.

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