Der erste Monat auf Weltreise: Was habe ich gelernt?

Schwups, und ein Monat Weltreise ist vorbei. Wohl einer der intensivsten Monate meines Lebens. Gefühlsachterbahn pur. Verzweiflung, grenzenlose Freude, Angst und Stolz im Stakkatotempo. Purer Exzess gefolgt von maximaler Erholung. Mal bin ich mir selbst ganz nah, mal fühle ich mich weit entfernt. Eine verrückte Zeit. Was hat mich besonders geprägt?

1) Aller Anfang ist schwer

Ihr habt es sicher zwischen den Zeilen gelesen. Am Anfang gab es Momente, in denen ich meine Idee verflucht habe. Den Sinn nicht mehr erkannte. Ich mich in Santiago wie ein Fremdkörper fühlte. Aber ich hielt durch. Vertraute mich meiner Umgebung an. Tauschte mich in Facebookgruppen mit anderen Weltreisenden aus. Und vor allem: Ich öffnete mich. Wechselte die Perspektive. Nahm die Andersartigkeit an und begann sie zu genießen.

Es ist eigenartig, festzustellen, wie fest die eigene kulturelle Brille auf der Nase sitzt. Anfangs mied ich beispielsweise die einheimischen Gemüseläden. Schiefe Holzhütten, oft nicht ganz sauber, die aber das beste Gemüse haben. Ich war misstrauisch. Stadtbusse, die fast auseinander fielen. Wunderbar. Dann lernte ich mehr und mehr Chilenen kennen. Fing an, ihre Barbecue-Obsession zu verstehen. Saß mit am Feuer, vertiefte mich in Gespräche und genoss den chilenischen Wein. Jetzt kann ich sagen, ich bin angekommen. Fast drei Wochen dauerte es. Am meisten geholfen hat mir, anfangs nicht ständig den Ort zu wechseln.

2) Als Langzeitreisender brauchst du einen anderen Erlebnisrhythmus

Zu Beginn machten mich die Erlebnissuchenden im Asiatenstil nervös. Drei Tage, gefühlte fünfzig Sehenswürdigkeiten. Dann schnell weiter zum nächsten Ort. Ich hingegen hatte Tage dazwischen, an denen ich buchstäblich nichts tat. Es fühlte sich eigenartig an. Bis ich begriff, dass dies meist Urlauber waren, die nur zwei bis drei Wochen Zeit haben. Wieder zurück in ihren Alltag mussten.

Diesen Druck hatte ich nicht. Das Reisen war jetzt mein Alltag. Der Erlebnisstrom wird bei mir nicht nach drei Wochen versiegen. Und Erlebnisse wollen verarbeitet werden. Sonst tritt irgendwann eine Übersättigung ein. Pausen sind Gold wert. Klar ist es nicht leicht, wenn vor der Haustür der nächste Nationalpark wartet. Aber genauso notwendig.

3) Einfach nur genießen will gelernt sein

Die wohl schwierigste Lektion für mich. Mir fiel es anfangs schwer, mir diese Auszeit zuzugestehen. Die wenn-dann Verbindung zwischen Arbeit und Genuss in meinem Kopf zu lösen. Warum soll ich nur genießen dürfen, wenn ich es mir durch Arbeit vorher verdient habe? Warum darf ich nicht einfach nur genießen?

Ich habe gemerkt, dass ich mich vorher viel über die Arbeit über die Arbeit definiert habe. Auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte. Wer bin ich ohne Arbeit? Was macht mich als Mensch aus? Das sind Fragen, denen ich mich Stück für Stück stelle.

4) Woanders zu sein heißt nicht, ein Anderer zu sein

Glaub mir, all deine Probleme und Schwächen reisen mit dir. Genauso wie deine Stärken. Bei mir sind plötzlich Wunden aufgebrochen, von denen ich dachte, sie wären schon längst verheilt. Begann Personen zu vermissen, die ich eigentlich schon länger aus meinen Leben verbannt hatte. Das Reisen hält dir den Spiegel vor. Interessanterweise scheint das Licht besonders auf die Stellen, die vorher im Schatten verborgen lagen. Ich habe mich oft gefragt, warum. Vielleicht liegt es an den vielen Herausforderungen, mit denen du beim Reisen konfrontiert bist. Die dich gleichzeitig ständig mit dir und deinen Grenzen, Wünschen und Erwartungen konfrontieren.

5) Ein Reisealltag ist wichtig, um Ziele weiter zu verfolgen

Mir ist bewusst geworden, dass ich auf Reisen eine gewisse Struktur brauche. Wenn das Leben quasi aus ständiger Veränderung besteht, ist es nicht leicht, andere Ziele weiter zu verfolgen. So nehme ich mir jeden Morgen eine halbe Stunde Zeit zum Meditieren. Eine Stunde ist täglich für Sport reserviert. Aller zwei Tage schreibe ich ein bisschen. Mein Leben pausiert ja nicht, nur weil ich reise.

6) Du fängst an zu erkennen, was du wirklich brauchst

Der erste Schritt dieses Prozess beginnt vor der Weltreise. Mit dem Aussortieren. Du wägst gründlich ab, was mit auf Reisen gehen soll. Schließlich wirst du jedes Gramm auf den Schultern spüren. Du drehst jede Socke zweimal um. Auf Reisen setzt sich der Prozess fort. Du verlierst Dinge. Dir werden Sachen gestohlen. Bei mir waren es Kopfhörer, mein Handtuch, Kleidung. Am Anfang ärgerst du dich. Dann denkst du nur: Na ja, so ist mein Gepäck etwas leichter. Auch gut. Inzwischen könnte mir fast alles gestohlen werden, ohne dass ich mit der Wimper zucken würde. Bis auf meinen Ausweis und meine Kreditkarte. Das würde so richtig wehtun.

An die Stelle der materiellen Dinge rücken die Erlebnisse. Zeit, die du mit lieben Menschen genossen hast. Dinge lassen sich austauschen, Menschen und Erlebnisse nicht.

Gleichzeitig verschieben sich die Prioritäten. Eine heiße Dusche? Welch Wohltat, wenn du dich die ganze Zeit nur mit lauwarmem Wasser betröpfeln konntest. Der Sonnenuntergang am Vulkan? DAS Highlight des Tages.

7) Vertrauen ist gut, aber…

Ein negativer Nebeneffekt des Hostellebens. Man wird ein bisschen paranoid. Immer wieder verschwindet etwas. Dinge bekommen plötzlich Beine. Echt abstrus, was manche Hostelgäste mitgehen lassen. Einer Dame gefiel offensichtlich mein BH. Zum Trocknen auf die Wäscheleine gehängt. Weg war er. Alles, was ich ganz gern behalten möchte, schließe ich deshalb immer weg. Es lohnt sich definitiv, ein kleines Schloss mit auf Weltreise zu nehmen.

8) Du wirst überrascht von deiner eigenen Anpassungsfähigkeit

Wisst ihr noch, was ich vorher gesagt habe? Ich werde kaum in Hostels übernachten, weil ich Privatsphäre brauche. Und jetzt? Übernachte ich seit Beginn meiner Reise nur in Hostels. Fünfbettzimmer, Zwölfbettzimmer, alles habe ich schon durch. Dreckig und sauber. Schön und hässlich. Schlafen im Bus. Komisch, geht plötzlich alles. Selbst schlafen ohne Ohropax neben Schnarchern habe ich fertig gebracht. Solange ich irgendwas zum Schlafen habe, bin ich zufrieden. Witzig. Besonders, wenn man bedenkt, dass ich vorher zum Teil ein ziemlicher Leichtschläfer mit Tendenz zum nervösen Nichtschläfer war. Aber wisst ihr was? Ich war unzufrieden, wahnsinnig unzufrieden. Habe ein Leben gelebt, das nicht meins war. Mich nicht darauf gefreut, am nächsten Tag aufzustehen, zu arbeiten, Erwartungen zu erfüllen. Mein Körper signalisierte mir das auch durch gestörten Schlaf. Und jetzt? Bin ich wesentlich zufriedener, meine Tage sind bunt und lebenswert. Was mir das sagt? Das ich nie wieder so lange die Signale meines Körpers ignorieren werde. Sondern offen hinhören und Konsequenzen ziehen.

Wie erging es euch nach der ersten Zeit?

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